Stellungnahme des Gemeinderates Sargans zu einem Medienartikel des «Blick»
Da staunten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sarganser Gemeindeverwaltung nicht schlecht, als sie am Morgen des 6. Dezembers, just am Samichlaustag, auf der Online-Plattform des "Blick" auf einen Artikel über die Gemeinde Sargans stiessen. "Mein Nachbar terrorisiert mich mit Anzeigen – und jetzt soll ich wegziehen", lautete die Schlagzeile. Und weiter: "Garagist Martin Wickli aus Sargans SG fühlt sich von seiner Gemeinde verraten." Inhalt des Artikels ist eine jahrelange Fehde zwischen einem privaten Grundstücksbesitzer und einem direkt ansässigen Gewerbetreibenden.
Soweit, so boulevardesk. Zu Staunen gaben in dem Artikel vor allem Aussagen und Andeutungen über die Rolle der politischen Gemeinde und allem voran über Gemeindepräsident Jörg Tanner in dieser Angelegenheit. Die Behörden sollen sich unter anderem mit einer Stellungnahme hinter laufenden Verfahren verstecken. Zwar wies Tanner in einer ersten Reaktion auf die Anfrage der Journalistin auf besagte laufende Verfahren hin, die verschiedene konkrete Aussagen von Seiten der Gemeinde verunmöglichen würden. Gleichwohl machte die Gemeinde in einer weiteren Nachricht an die Journalistin klar, dass einige der Fragen beantwortet werden können.
Die Stellungnahme gar nicht abgewartet
Tatsächlich hat die Journalistin der Gemeinde einen ausführlichen Fragenkatalog zukommen lassen. Allerdings nur, um dann die von der Gemeinde zur Beantwortung der Fragen in Aussicht gestellte Frist weder abzuwarten, noch in irgendeiner Form auf die Fristsetzung zu reagieren. Ohne, dass die Journalistin auf die Korrespondenz reagiert oder die Gemeinde über eine Publikation informiert hätte, ist der Artikel am 6. Dezember im Netz erschienen – und hat hohe Wellen geschlagen.
Die Gemeinde und vor allem Präsident Tanner sollen laut dem Artikel verschiedentlich in den Streit eingegriffen, Bauland angeboten und die «Bewilligung» wieder entzogen haben, willkürlich und eigenmächtig. Die Autorin stützt sich dabei allerdings ausschliesslich auf die Aussagen des offensichtlich unzufriedenen Bürgers. Entsprechend entbehren verschiedene Abschnitte des Artikels jeglicher Grundlage und Wahrheit, sie sind schlicht falsch.
Die Hand geboten, das Gesicht verloren
So hat sich die Gemeinde in der Angelegenheit sehr engagiert für eine Konfliktlösung eingesetzt, eigenes Land als Umsiedlung des Gewerbebetriebs zur Verfügung gestellt und so aktiv Hand geboten. Der Gemeinderat hat grosse Anstrengungen unternommen, um eine für alle Beteiligten zufriedenstellende Lösung zu ermöglichen. Dass die Verhandlungen mit dem Gewerbler gescheitert sind, gründet nicht auf der im Artikel angedeuteten Willkür der Gemeinde. Sie hat nicht einfach plötzlich ‘das Land anderweitig vergeben’, wie geschrieben wurde. Es ist aus Sicht der Gemeinde jedoch nicht angebracht, dass sie sich zu den Details der gescheiterten Verhandlungen mit einem in der Gemeinde ansässigen Gewerbebetrieb in den Medien äussert.
Nur so viel: Die Gemeinde versucht in erster Linie, Konflikte zwischen Gewerbebetrieben und der Wohnbevölkerung im Dialog mit den betroffenen Parteien und auf einvernehmlichem Weg zu lösen.
Die Journalistin nimmt Gemeindepräsident Jörg Tanner persönlich ins Visier und verunglimpft ihn als Verursacher. Sie impliziert damit, dass er sich anmasse, den Gemeinderat mit eigenen Beschlüssen zu übergehen. Einen Nachbarschaftsstreit journalistisch zu beleuchten kann wertvoll für die Öffentlichkeit sein. Hätte die Journalistin aber die Stellungnahme der Gemeinde abgewartet, hätte die Geschichte einen ganz anderen Dreh bekommen, was die Vorwürfe an die Gemeinde angeht.
Der Ohnmacht entgegenwirken
Die Folge auf den veröffentlichten Artikel waren Kommentare auf der «Blick»-Website und auf Social Media, mehrere Hassmails aus der ganzen Schweiz an die Verwaltung und schliesslich persönliche Briefe an den Gemeindepräsidenten mit Anfeindungen und Beschimpfungen. Und ein Gefühl der Ohnmacht. Die Sarganser Gemeindebehörde ergreift die begrenzte Möglichkeit, sich zu wehren. Nach einer Kontaktaufnahme mit der «Blick»-Chefredaktion und dem Verwaltungsrat des Medienhauses Ringier wird sie beim Schweizer Presserat vorstellig. Er gilt als Kontrollorgan für die vierte Gewalt in der Schweiz und wacht nach eigener Definition über die Einhaltung des für alle Journalisten gültigen Journalistenkodex, der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten». Als Beschwerdeinstanz ist er auch die Anlaufstelle für die Beschwerde aus Sargans. Sie wird in den nächsten Tagen eingereicht.
Es geht der Gemeindebehörde darum, die Einhaltung berufsethischer Grundsätze im Journalismus einzufordern – und ein Zeichen zu setzen, damit die Medien bei Beiträgen, in denen Privatpersonen während laufenden Verfahren Vorwürfe gegenüber öffentlichen Institutionen erheben, sorgfältiger arbeiten.